Der Herbst und das Frühjahr eines Jahres sind erfahrungsgemäß die schönsten Jahreszeiten um - zumindest im südeuropäischen Ausland - auf wundervolle Art noch einmal Motorrad zu fahren. Der Herbst gefällt mir am besten, da die Färbung der Natur die Landschaft in eine Lichtstimmung taucht, die ihresgleichen sucht. Der Nachteil einer Herbstreise? Die Tage sind sehr viel kürzer. Und auch wenn es am Tag noch wunderschön mild sein kann, so sinkt die Temperatur abends deutlich ab. In den bergigen Regionen liegt mit Sicherheit auch schon Raureif auf dem Motorrad.
In Summe überwiegt jedoch der Genussmoment. Die Touristen sind weniger und auch die Geschäftigkeit vor Ort ist sehr viel erträglicher. Grund genug für mich, meinen Lieblingsspediteur von Bike and Sun zu fragen wohin seine Kunden denn jetzt unterwegs sind. Das Ziel ist mir völlig egal und der Aufwand für den Transport soll sich für beide auf ein Minimum reduzieren. Er meint Spanien wäre jetzt sehr beliebt bei ihm... Ok, dann Spanien. Start und Ziel ist jetzt Barcelona.
Was passiert jetzt?
Ich will "back to the roots" und fahre das erste Mal mit der BMW RnineT in den Motorradurlaub. Ich verzichte (zwangsweise) auf unnützen Schnickschnack beim Gepäck und reduziere auch meine technische Ausrüstung auf ein vertretbares Minimum. Ich navigieren mit dem Handy und verzichte auf Kleidung mit sog. Wetter- und Klimamembran. Der tatsächliche Grund ist, dass ich mit der bunten und textilen Endurokleidung auf der nineT sch*** aussehe. Das der externe Regenschutz mich eine ganze Packtasche kostet erwähne ich unter Tränen und mit einem lauten Fußstampfer. Meine Strecke ist gesetzt und nur ein roter Faden, keine Leitlinie. Ich brauche eine Richtung, keinen Weg. Zwei Ziele sind jedoch in Stein gemeißelt, Biarritz und Saint-Jean-Pied-de-Port. Biarritz an der Atlantikküste war schon immer ein Traum welcher sich bis heute aber nicht erfüllen ließ und als ehemaliger Nutzer des Jakobsweges war es mir damals nicht vergönnt im o.g. Ort starten zu dürfen. Dieses Mal möchte ich ihn aber zumindest besuchen und ein Foto vom Ortsschild realisieren.
Als Gepäckvolumen stehen mir auf der RnineT schlappe 46 Liter zur Verfügung. Das ist EIN Alukoffer an der R1250GS. Neun Liter davon für warme und Regenkleidung auf der linken Seite und elf als Tankrucksack für Technik. Für Wechselkleidung habe ich also noch sechsundzwanzig Liter zur freien Verfügung. Jeder Liter zusätzlich wäre Luxus. Ein Paar Freizeitschuhe in Größe 46 ist schon ein dramatischer Platzverlust! Erste Hilfe - Päckchen und das Kettenschloss müssen ja auch noch verstaut werden... Kritiker könnten jetzt einwenden das ich das Volumen doch durch entsprechendes Zubehör endlos erweitern könnte... Natürlich! Aber ich fahre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht jährlich und mehrfach mit diesem Motorrad in den Urlaub. Wenn überhaupt ein weiteres Mal. Diese Investitionen wären also faktisch für die Katz' und hätten keinen weiteren Nutzen.
Die Strecke, die ich in den folgenden sechs Tagen fahren möchte, habe ich zu Hause vorbereitet. Es war gar nicht so schwer wie man glauben mag, denn mit der Software von https://kurviger.de lassen sich Start und Ziel wunderbar verbinden indem man die Intensität der Kurven per Filter einstellt und den Track dann herunterlädt. Meine Auswahl habe ich wunderbar getroffen, denn rückblickend für heute habe ich nicht mehr als eine Handvoll Ampeln passiert, oder davor gewartet, denn der Kurvenmodus der von mir gefiltert wurde lautete: "Vermeidung von großen / breiten Straßen und Ortschaften, wo möglich..." Das hat so hervorragend geklappt, dass ich über viele Kilometer hinweg nicht eine einzige Ortschaft passiert habe. Ich hatte viele Momente an denen ich nicht wusste wo ich mich gerade befinde, da die Zoomfunktion mit Handschuhen auf dem Handy nicht gut funktioniert, vor allem nicht während der Fahrt.
Außerordentlich früh - so gegen 9 Uhr - habe ich heute den Hotelparkplatz verlassen um eine Tagestour zu beginnen, dessen Tagesziel ich bis zum Schluss nicht benennen konnte. Dort, wo am frühen Morgen die Sonne ihre wärmenden Strahlen noch nicht zum Trocknen der Kurven einsetzen konnte, musste man noch ordentlich aufpassen. Die 110 PS der RnineT lassen sich längst nicht so sensibel dosieren wie bei der großen GS. Das verlangt in Verbindung mit der erzwungenen und gebückten Sitzhaltung einiges an Umstellung, die ich vorher auf dem großen Motorrad so nicht kannte. In meinen früheren Berichte über Spanien und Portugal habe ich lobend erwähnt wie vorsichtig und rücksichtsvoll die Spanier und auch die Portugiesen am Strassenverkehr teilnehmen. Selbst die Motorradfahrer die am heutigen Sonntag unterwegs waren, waren alle so entspannt das es Spaß gemacht hat eine Gruppe zu begleiten, oder auch entgegenkommende herzlich zu grüßen. Ich bin zu langsam für andere? Kein Problem, fahre ich halt weiter rechts. Andere sind zu langsam für mich. Kein Problem, dann überhole ich wenns passt.
Die von mir gefahrene Strecke war ein Genuss, der sich mit einfachen Worten hier nur ansatzweise nachvollziehen lässt. Ich kann jetzt nur schätzen wie oft ich meine Begeisterung in den Helm hineingerufen habe ob der guten Straßenführung in Verbindung mit einer Landschaft die nicht wirklich spektakulär war, aber idealerweise zu meinem Fahrstil passte. Man schaut links, man schaut rechts und ist trotzdem konzentriert genug die Straße vor dem Motorrad nie völlig aus dem Blick zu verlieren. Die Sonne erreicht am Mittag ihren Zenit und hat noch ordentlich Wumms, so das ich froh bin dieses Mal nur mit der Lederjacke und einem Hoodie bekleidet unterwegs zu sein. Immer wieder wandert mein Blick nach rechts, denn dort sind sie zu sehen, die Pyrenäen in ihrer ganzen Pracht, oftmals noch bedeckt von Wolken, die sich aber im Laufe des Tages auflösen. Den ganzen Tag über bin ich so nah an dem Gebirge dran, dass die Ausläufer dessen ganz maßgeblich den Streckenverlauf meiner Tour positiv beeinflussen.
Dass ich heute Nachmittag, nach 270 km auf dem Sattel der RnineT abgestiegen bin als wäre nichts gewesen, zeigt ganz deutlich wie unverkrampft der heutige Tag vonstatten ging. Ich bin heilfroh das ich diese Touren - jeweils im Herbst - alleine realisieren kann, denn ich glaube ganz fest daran das niemand anderer, egal mit welchem Motorradtyp, sich mit mir und meinem Fahrstil während dieser Woche anfreunden könnte. Ich möchte nicht missverstanden werden, ich kann auch gut, schnell und zügig, aber ich will es nicht!! Ich bin völlig eins mit mir, der Maschine, dem sonoren Klang des Auspuffs und der Umgebung, die an mir vorbeizieht...
Ich will genau das und nichts anderes!
Als ich mich gestern Nachmittag für das Tagesziel entschieden habe, betrug die Entfernung schlappe vierundzwanzig Kilometer. Kein Ding, dachte ich. War doch die Straße entlang des Stausees sehr, sehr angenehm zu fahren. Jedoch verfärbte sich der Himmel am Horizont mit abnehmender Kilometerzahl. Er verfärbte sich schlussendlich in ein tiefes Pechschwarz. Es blitzte und donnerte um mich herum das mir Angst und Bange wurde. Glücklicherweise entlud sich das Gewitter in all seiner Heftigkeit erst als ich mein Zimmer bezogen habe. Gott sei Dank. Heute morgen bin ich bei 12°C Außentemperatur losgefahren, mir war aber bewusst das diese Temperatur auf Dauer nicht zu halten war. In den Höhenlagen wird es kälter werden, so mein Gedanke.
Trotz der scheinbar optimalen Einstellung in der Tourenplanung war mir bewusst, dass die Streckenführung durch die Berge kein Wunschkonzert sein würde und ich mich den geographischen Gegebenheiten beugen muss. So war auch die N - Straße bis Puente la Reina schön, aber mehr auch nicht. Aber dann wurde ein Feuerwerk gezündet, wie ich es mir in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt habe. Ich bog ab in Richtung Norden, um die Pyrenäen zu überqueren. Was für Namen: Valle de Hecho, Valle de Anso, Sierra de San Miguel, ... Es reihte sich ein fantastischer Streckenabschnitt an den nächsten, Zeit zum Luftholen war kaum möglich. Die RnineT beugte sich den Befehlen meiner Gashand und somit wurde alles gut. Sehr gut sogar. Was für eine geile Karre, heilige Sch*****. Je mehr Höhenmeter ich absolvierte, um so frischer wurde es. Zeit, das Regeninlet der Endurojacke auszupacken und unter der Lederjacke zu platzieren. Perfekt. Kein Wind, keine Kälte! Der ganze Tag war bewölkt und nur an einigen Abschnitten war die Sonne zu sehen. Aber ich will nicht meckern, es hätte völlig anders kommen können, denn WetterOnline hat Regen ab 14°° Uhr vorausgesagt, der mich aber glücklicherweise erst um 17°° ereilte. Glücklicherweise habe ich vorher erneut mein Zimmer bezogen. Der schönste aller Streckenabschnitte offenbarte sich aber erst kurz vor, bzw nach dem "Port de Larrau" bis zum aktuellen Ort meiner Übernachtung, Mendive. Meiner Routingoptionen sei Dank, offenbarten sich Streckenabschnitte für mich, die ich definitiv unter normalen Umständen so nicht gefunden hätte!
Man möchte schreiben: Was für ein geiler Sch****. Ich habe ALLES richtig gemacht!!
Der Herbst hält Einzug in dieses sonnenverwöhnte Land. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ich liebe es! Es ist wunderschön dort wo man Gegenden mit hohem Baumbestand passiert. Anhalten und tief einatmen, das wirkt Wunder. Versprochen! Mein erster Stopp auf dem Weg nach Biarritz ist in Stein gemeißelt. SAINT-JEAN-PIED-DE-PORT! Im September 2018 habe ich mit Ecki, meinem liebsten Nachbarn, den Jakobsweg auf dem Fahrrad bewältigt weil meine Zeit für einen Fußweg nicht ausgereicht hat. Die Erfahrungen und Erlebnisse waren nicht minder interessant und prägen mich bis heute. Wegen der eben schon erwähnten Zeitknappheit sind wir nicht von hier, sondern von Pamplona aus gestartet. Seitdem war es mein fester Wunsch diesem Ort einmal persönlich zu besuchen. Voilá, hier bin ich. Und während ich in einem Café im Zentrum diese Zeilen und Buchstaben auf weißem Hintergrund platziere, hänge ich für einen Moment dieser schönen Zeit hinterher. Natürlich war ich auch im Pilgerbüro um ein kurzes Schwätzchen zu suchen. Es ist nicht mehr viel los hier. Ein paar Pilger starten immer, aber die Übernachtungen auf dem Weg werden knapper. Ja, auch im Norden Spaniens gibt es knackige Winter... So erzählt man es mir. Die Ansprüche an eine Herbst- oder Winterwanderung sind ungleich höher. Ich freue mich wie ein kleines Kind, hier gewesen zu sein. Endlich! So war es mein Wunsch.
Mit Biarritz und dem Atlantik habe ich den Wendepunkt der Reise erreicht. Ich hätte noch einen Tag in petto, den ich aber nicht hier verplempern möchte. Ich bin zu ungelenk fürs Surfen und zu arm fürs Shopping. Und mehr könnte mich hier auf Anhieb nicht begeistern. Eine schöne Stadt am Wasser mit einer mondänen, aber durch das Salzwasser stark gezeichneten Patina. Eine schöne Mischung. Bis auf eine phantastische Küstenlinie, die fast allen Ortschaften am Atlantik anheim ist, kann ich nichts weiter finden. Der tatsächliche Anlass für meinem Aufbruch ist aber sehr viel banaler. Mein Motoröl ist kalt. Das Wetter passt, also geht es nördlich der Pyrenäen in Richtung Mittelmeer... Mein morgendlicher und prüfender Blick in die WetterApp verhieß für heute nichts Gutes, denn in meiner Richtung und nördlich der Pyrenäen saß eine Regenwolke fest, die sich dort partout nicht weiter bewegen wollte. Ich schaute aus meinem Hotelfenster und wunderte mich, denn draußen war es zwar bedeckt und diesig, aber trocken. Mir war aber bewusst das das Glück, welches ich in den letzten drei Tagen hatte, nicht auf Dauer anhalten würde. Ich bereitete mein Gepäck auf eine mögliche Regenfahrt Es kam wie es kommen musste, denn kurz hinter Biarritz begann es zu nieseln ohne jedoch unangenehm zu werden. Motorradfahrer kennen diese Situation in der man(n) so lange wie möglich fährt, weil man glaubt es regnet nicht mehr lang, weiß aber ganz genau, dass je länger man fährt, man immer nasser wird und dann die Schutzkleidung keinen Sinn mehr macht. Motorradpsychologie! Normalerweise ist Regen für mich kein Problem, aber auf dieser Reise - und das habe ich anfänglich schon einmal erwähnt - habe ich keine Schutzkleidung mit Klimamembran mitnehmen können.
Auf dieser Reise habe ich nicht endlos Zeit zu verschenken. Wenn ich also fünfzig Kilometer unterwegs bin und sich der Streckenverlauf partout nicht abwechslungsreicher entwickelt, dann hat man mich mental verloren. Zumal meine Erwartungshaltung nördlich der Pyrenäen eine etwas andere war. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, denn das südöstlichste Departement war an sich außerordentlich schön anzuschauen, aber die Straßenführung lieferte nicht das was ich erwartet habe. Meinen längst überfälligen Tankstopp in Orthez nutzte ich um mich neu zu orientieren. Ein Blick auf die Karte bestärkte mich dahingehend, dass auch für die Zukunft nicht mit einer Änderung zu rechnen ist. Eine echte Alternative, die auch recht gut zu realisieren war, war die Richtungsänderung nach Süden, wieder auf die spanische Seite.
Es gibt zwei Möglichkeiten zwischen den Ländern zu wechseln...
1. Der Col du Tourmalet ist mit 2115 Metern über dem Meeresspiegel der höchste asphaltierte Straßenpass der französischen Pyrenäen. Endlich machte es wieder Bäm! Unbeschreiblich. Es blieb trocken aber bedeckt und kalt! Wolken und Sonne lieferten sich in dieser unwirklichen Natur ein grandioses Spektakel. Hui! Gänsehaut.
2. Der Col du Somport / Puerto de Somport ist ein 1640 m hoher, und einer der ältesten Pyrenäenübergänge und Grenzübergang zwischen Frankreich und Spanien.
Um meinen Pass so gut wie möglich zu erreichen, führte mich ein letztes Stück durch dichten Wald der nicht nur klischnass war, sondern voller herabfallender Blätter und Kastanien. Diese Fahrt war ein Eiertanz auf den ich gerne verzichtet hätte, zumal er mich viel Zeit gekostet hat. Jetzt bin ich wieder in Spanien unterwegs und wenn mich jemand fragt wo es morgen hingeht, dann weiß ich das noch nicht. Vielleicht fahre ich noch einmal über die Berge... Eine letzte Frage beschäftigt mich aber die ganze Zeit!? Wo sind die Motorradfahrer hin? Die Handvoll Biker repräsentieren doch wohl nicht die Widerstandsfähigkeit bei mäßigem Wetter, oder? Der heutige Tag beinhaltete die dritte Überquerung der Pyrenäen über einen gut befahrbaren und spektakulären Pass (N230), dessen umliegende Landschaft und Befahrbarkeit so völlig anders war als die anderen vorher. Was ist ansonsten noch passiert?:
Nur so viel: Wenn die beste Verbindung zwischen zwei Kartenpunkten die Farbe "gelb gemustert", oder grün aufzeigt, dann ist Obacht im positiven Sinne geboten. Die Motorradfahrer unter uns wissen das. Da kann das Navigationsgerät noch so perfekt sein, der Blick auf eine echte Karte ist durch nichts zu ersetzen. So erging es mir bei der Recherche für den heutigen Tag, den ich als den fahraktivsten und bewegendsten bezeichnen möchte. Eine Streckenführung die keine Zeit um Durchatmen lässt. Anspruchsvolle Serpentinen rauf und runter; kurze Beschleunigungs- und Bremsmanöver; feuchte Strecken im Wald, wieder mit herabfallendem Laub und Kastanien; einen "Urwald" der anscheinend nie wirklich trocken wird, ... Wer da durch ist, wird sich auf die Schulter klopfen und den Wunsch verspüren das noch einmal zu fahren. Es beginnt mit der D618, die dann in St-Girons endet, oder umgekehrt. Bei der Recherche nach dem Weltrekord für die meisten Motorradüberquerungen der Pyrenäen innerhalb einer Woche bin ich im Guinnessbuch der Rekorde auf kein Ergebnis gestoßen. Wenn es also niemanden gibt der innerhalb einer Woche mehr als 4 Überquerungen mit dem Motorrad geschafft hat, bin ich der nächste Anwärter für einen Eintrag in dieses großartige Buch.
Wer meine Reise aufmerksam und interessiert verfolgt, der wird wissen, dass sich meine aktuelle Unterkunft nördlich der Pyrenäen, in Frankreich, befindet. Ich übernachte nahe der Stadt Foix, in einer Art landwirtschaftlicher Unterkunft. In Italien kenne ich diese Unterkünfte unter dem Namen "Agritourismo". Für Frankreich muss ich gerade passen. Am Folgetag wird der letzte aktive Fahrtag meiner Urlaubsreise sein. Dieser Tag besteht darin von meiner aktuellen Unterkunft bis nach Barcelona zu fahren. Dort werde ich von meinem Lieblingsspediteur auch wieder abgeholt. Doch wie komme ich nach Barcelona? Also grundsätzlich ist der beste und kürzeste Weg wieder über die Pyrenäen. Es geht in Richtung Andorra, welches ich mittlerweile schon unzählige Male besucht und durchquert habe. Ich habe heute jedoch nur "günstig" getankt, bin aber gleich wieder raus, denn ich muss kurz vorher "links weg". Nun könnte man meinen das so groß ausgebaute Passstraßen jeglichen Reiz für einen Motorradfahrer verloren haben. Doch dem kann ich entgegensetzen, dass die landschaftliche Vielfalt mit jedem Höhenmeter für vieles entschädigt. Die Kargheit die sich einem dort oben offenbart, raubt mir immer wieder den Atem. Und wenn die übermächtige Präsenz der Berge dich rundherum umgibt, dann soll mir niemand erzählen das wäre nicht irgendwie ergreifend / imposant. Also mich fixt das total an.
Ich bin ein totaler Fan der Straßen, die man einfach nur fahren kann. Fahren im Sinne von "Gang einlegen und glücklich sein". Zu wissen, dass das Drehzahlband breit genug ist nicht jedes Mal nervös hoch- und runter schalten zu müssen. Die Heizgriffe sind eingeschaltet und bleiben warm, weil ich nicht jedes Mal schalten muss. Dort, wo man "von oben" in die tieferliegenden Gebiete hineinfährt, wird man blind ob der immensen Farbenpracht der sich herbstlich verfärbenden Natur. Eine Farbexplosion ohne Gleichen. Ein Meer aus Gelb- und Brauntönen dem man sich nur schwer entziehen kann. Ich flippe aus!! So schön. Genau der Grund, warum ich im Herbst noch einmal los muss. Es ist mein letzter Tag und ich verspüre keine Hast das Tagesziel schneller zu erreichen als nötig. Ich rolle im höchsten Gang der noch komfortabel fahrbar ist und erfreue mit am sonoren Gleichklang der wunderschönen Zwei-in-Zwei - Auspuffanlage meines Boxers. Die Herbstsonne wärmt mehr als ich es vermutet habe. Es hat den Anschein als wäre ich zu dick angezogen. Oben auf der Passhöhe hingegen hatte ich mein kältestes Erlebnis der ganzen Reise.
Das hohe Drehmoment des Boxermotors treibt mich kreuz und quer durch die Berge über viele kleine Pässe, die nirgendwo eine Erwähnung finden. Ich durchquere Skigebiete, die jetzt langsam aus dem Tiefschlaf erwachen. Die heutige Tagestour beträgt deutlich mehr als dreihundert Kilometer und straft jeden Lügen, der meint mit dieser Maschine wäre nach ein paar Kilometern außerhalb des Wohnortes schon Feierabend. Ich steige am Nachmittag von dieser Maschine als wäre nichts gewesen. Ungelogen. Vielleicht bin ich aber nur zu fit für mein Alter... Ich pausiere wann und wo es mir passt. Manchmal sitze ich völlig gedankenverloren nur auf einer Leitplanke und schaue in die Ferne. Je mehr ich mich der Stadt Barcelona nähere um so wärmer wird es. Es ist mir tatsächlich schon wieder deutlich zu warm. Der Verkehr nimmt zu und irgendwann mach es keinen Sinn mehr der Landstraße zu folgen. Einfacher ist jetzt die Autobahn. Ich erreiche gegen 17°° mein Hotel und sehe den Armin dort schon sitzen. Wir fallen uns in die Arme und freuen uns wie kleine Kinder. Wir quatschen bis in den späten Abend und genießen die wenigen Momente zusammen. Mittlerweile nähere ich mich dem zwanzigsten Transport mit Armin und seiner Truppe und NIE wurde ich enttäuscht. Daumen hoch.
Den Track dieser Tour kann man im Bereich Downloads herunterladen...
Dort habe ich übernachtet: Vilafranca del Penedès, Aínsa, Mendive, Biarritz, Jaca, Foix, Barcelona