MoKo [Motorrad Kontakte] 06 und 07/98 [Ralf Ahlers / Text und Fotos]
Reisebericht Indien©: Irrfahrt mit Enfield.
Wochenlang fuhr Ralf Ahlers mit seiner Sozia Nicole auf einer Enfield durch Goa, einer Landschaft an der Westküste Vorderindiens. Auf ihrer Fahrt über Straßen, die diese Bezeichnung kaum verdienen, nach Beschilderungen, die eher in die Irre leiten als helfen, erlebten sie einige Abenteuer. Ted Simon lässt grüßen!
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Also, alles noch einmal - nur zur Sicherheit: Kupplungshebel links. Schaltung rechts! Der erste Gang nach oben, die anderen drei nach unten! Vorderradbremse wie gewohnt, aber ohne nennenswerte Verzögerung. Hinterradbremse links, mit mäßiger Wirkung. Der Mechaniker schaut mich fragend an. Für ihn ist diese Hebel- und Pedalkonstruktion das einfachste und selbstverständlichste der Welt. Na dann mal los: Zündschlüssel drehen, Kickstarter langsam treten und dabei auf den Voltmeter im Cockpit achten. Bewegt sich der Zeiger aus der Nullstellung, heißt es Dekohebel drücken und noch mal den Kickstarter bemühen. Um die Maschine aber auch hören zu können, muss der Kicker ein drittes Mal getreten werden. Und tatsächlich, sie läuft. Die Frage, warum denn die Beleuchtung nicht funktioniere, wird mit einem Hinweis auf die intakte und trommelfellzerstörende Hupe beantwortet. Zum einen würde man mich bei den vielen Menschen auf der Straße sowieso nicht eher zur Kenntnis nehmen. Zum zweiten dient die Hupe natürlich zum Überholen, wird aber auch dafür benutzt, unerwünschte Personen von der Fahrbahn zu treiben. Mittlerweile ist es Mittag. Wir haben einige Straßenkarten, den Reiseführer und eine gute Portion Unternehmungslust im Gepäck. Nicole und ich wollen erst einmal nur so herumfahren. Als ganz grobe Richtungsangabe soll uns die Stadt Mapusa (sprich: Mapsa) dienen, die wir südlich des Ortes Assagao ansteuern wollen.
Obwohl sich die Straße in einem recht guten Zustand befindet, fahren wir eher langsam. Wir genießen die Fahrt ohne Helm und lassen uns den Wind in das Gesicht wehen. Sobald wir jedoch anhalten, um zu fotografieren oder einfach nur die Umgebung in uns aufzunehmen, brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel. Und das im November! In Indien beginnt jetzt die Winterzeit mit Temperaturen, die wir nur vom Hochsommer her kennen. Hier in Goa herrscht noch Vorsaison. Die meisten Touristen lassen sich erst sehr viel später im Jahr blicken. Während unserer beschaulichen Fahrt entlang der Reisfelder begegnen uns kaum Menschen.
Auffällig ist jedoch das satte Grün, das in verschiedenen Schattierungen leuchtet. Grund für diese Farben ist der Monsun, der in der Zeit von Juni bis Oktober das Land heimsucht und den langersehnten Regen bringt. Wir beobachten die Feldarbeiter dabei, wie sie gemähtes Reisgras sammeln und zum Trocknen zu kleinen "Biwaks" binden. Noch immer ist für etwa 90 Prozent der Goaner Reis neben Fisch das Hauptnahrungsmittel. Langsam, aber sicher nähern wir uns der Stadt Mapusa. Ein erhöhtes Menschen- und Verkehrsaufkommen lassen keinen Zweifel zu. Wir fahren an einer Schule vorbei und überholen unzählige Gruppen von Kindern, die freudig und aufgeregt auf die Straße laufen, uns zuwinken, oder das Motorrad anfassen möchten. Wir drosseln das Tempo bis zum Stillstand und nehmen vorsichtig Kontakt zu ihnen auf. Fragen nach dem Wohin und Woher werden an uns gerichtet. Die Aufregung der Kinder kennt keine Grenzen.
Mapusa empfängt uns mit der vollen Wucht einer indischen Stadt. Sie hat an Sehenswürdigkeiten nichts zu bieten, ist aber Distrikthauptstadt von Bardez und verfügt über gut 28.000 Einwohner. Sowohl der Wochenmarkt an jedem Freitag, als auch die Kirche "Our Ladies of Miracles" lohnen einen kurzen Abstecher. Der riesige Busbahnhof im Ort ist kaum zu übersehen und zählt zu den Wichtigsten im Norden Goas. Schon nach relativ kurzer Zeit haben wir die Nase im wahrsten Sinne des Wortes gestrichen voll. Die Luftverschmutzung, die scheinbar immer währende Hektik mit all' den Menschen und die Tatsache, das es hier nicht die kleinste Chance gibt, ein paar Minuten der Besinnung und Ruhe zu finden, treiben uns aus der Stadt.
Wir rollen jetzt in Richtung Panjim. Nicole und ich fahren die Straße in südlicher Richtung und bemühen uns dabei, soweit wie möglich links zu fahren. Hier werden wir beide mit der für Indien typischen, kuriosen Straßenverkehrsordnung konfrontiert: Der Mangel an Fuß- und Radwegen treibt genau diese Personengruppen in Massen auf die Straße. Das führt dazu, daß alle anderen Fahrzeuge, die gerne Überholen möchten, in Schlangenlinie vorbeifahren, oder aber gleich in der Straßenmitte bleiben. Da diese Vorgehensweise in beide Fahrtrichtungen praktiziert wird, hatten wir mehr als einmal das zweifelhafte Vergnügen mit anzusehen, wie nur noch ein beherzter Sprung zur Seite vor größerem Schaden bewahrte. Und wer einmal erkannt hat, daß hier weder bei den Lkw, noch bei den Reisebussen das Brems- oder Rücklicht funktioniert, der schaut sich beim nächsten Spurwechsel lieber mehrmals um. Schon von weitem wird mit dem Hupen begonnen und wie verrückt aufgeblendet. Wer das weder hört noch sieht, dem helfen nur noch die Götter. Wer von indischem Verkehr spricht, der meint natürlich auch die vielen Tiere, die mitunter völlig teilnahmslos am Straßenrand stehen. Vorsicht bleibt also oberstes Gebot. Wir fahren mittlerweile recht zügig und erreichen schon nach relativ kurzer Zeit die Stadt Panjim. Auch hier gilt die Regel: Das stärkste Fahrzeug teilt aus, das schwächste steckt ein. Ist eigentlich ganz einfach!
Als wir in der Nähe des Flusses spazieren gehen, weht ein eindringlicher Fisch- und Seegeruch herüber. Auch das monotone Tuckern der vorbeifahrenden Schiffe ist deutlich zu hören. Der regelmäßig wiederkehrende Monsun hat vor allem in den Gassen der Altstadt seine Spuren hinterlassen. Die Fassaden sind verwittert, die Bausubstanz bröckelt an allen Ecken und Enden. Schade eigentlich, lässt es sich hier doch wunderbar bummeln - fernab von der Hektik und dem geschäftigen Treiben der Hauptstraße. Abbruchreife Balkone zeigen noch deutliche Spuren der portugiesischen Kolonialzeit. Aus den offenen Fenstern und Türen dringt der Lärm von Spielfilmmusik, vermischt mit dem Lachen spielender Kinder. Panjim ist die Hauptstadt Goas und mit seinen 80.000 Einwohnern auch kultureller und wissenschaftlicher Mittelpunkt des Landes. Als die Portugiesen 1843 das damalige Panaji zur Hauptstadt erklärten, wurde der Name auf Panji geändert. 1961 jedoch wurde er offiziell wieder auf Panaji geändert. Die Verwendung des Namens Panjim ist aber weiterhin die Gängigste. Inmitten der Altstadt finden wir die Kirche "Our Lady of Imaculate Conception". Was soviel heißt wie, "Kirche unserer lieben Frau der unbefleckten Empfängnis".
Etwas überanstrengt und erschöpft erreichen wir unsere Unterkunft. Der Straßenstaub und Umweltschmutz hat seine Spuren hinterlassen. Sauber und gut gelaunt geht es jetzt zum Abendbrot auf die Terrasse des Haupthauses. Wir treffen uns dort mit dem zweiten Pärchen, das schon seit zwei Wochen hier auf diesem Gelände verweilt und den einen oder anderen Tipp für uns parat hält. Katharina, die Köchin, hat sich heute Abend übertroffen: Gefülltes Eieromlett und frischer Salat mit allerlei indischen Gewürzen und Zutaten sind ein Genuss für unseren hungrigen Magen. Einige eisgekühlte Getränke und indisches Kingfisher - Bier in 650 - Milliliter Flaschen lassen uns diesen Abend so schnell nicht vergessen.
In dem verschlafenen Dorf Assagao haben wir für eine Woche Quartier bezogen. Es sind von hier aus nur wenige Kilometer bis zu den schönsten Stranden Goas.Die Anlage besteht aus einem Haupthaus, der überdachten Garage mit den Motorrädern, sowie den beiden rustikal eingerichteten Gäste - Bungalows. Der große, baumbestandene Garten bietet einen phantastischen und weitläufigen Blick über die Reisfelder, die gleich hinter dem Swimming - Pool beginnen. Bar, Sonnenterrasse und ein Plätzchen für Grillfeste inklusive. Herz, was willst du mehr?! Kurz vor dem Schlafengehen geht es noch in den Pool, um dann hundemüde ins Bett und in einen tiefen Schlaf zu fallen. Der Schlaf war ruhig und erholsam. Also nicht lange aufhalten, sondern mit Schwung aus dem Bett und sofort in die Badehose. Mit dem Wissen, daß selbst über Nacht die Wassertemperatur nicht unter 30°C sinkt, wird der Kopfsprung eingeleitet.
Mittlerweile hat sich auch Nicole aus ihrer Decke geschält. Wir haben heute noch einiges vor, also wieder in die Socken und zum Frühstück marschiert. Anschließend noch unsere Siebensachen gepackt und die Maschine vereinnahmt. Der Mechaniker verweist mit Stolz auf die funktionierende Beleuchtung und wünscht uns gute Fahrt. Seit einiger Zeit kreuzen wir so durch die Gegend, ohne eine Ahnung zu haben, wo wir denn nun sind. Vereinzelt stehen Häuser zwischen den Palmen. Es führen kleine "Straßen" quer durch die Botanik. Ein einheitliches System oder eine bestimmte Ordnung lässt sich nicht erkennen.
Wir sind in Anjuna. In dem 8.000 Einwohner zählenden Ort ist leider kein fester Ortskern zu entdecken. Verlaufen, oder in unserem Fall verfahren, scheint vorprogrammiert. Als die anderen Strande nicht mehr "groovy" genug waren, hat sich die "Szene" hierher zurückgezogen. Das war damals, in den späten 60er und frühen 70er Jahren. Die Hippies entdeckten Goa als das neue Urlaubsparadies. Mit ihnen kamen aber auch Nacktbadeparties, harte Drogen und die Freaks, die hier herumlungerten. Heute sind sie fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. Einige von diesen Uralt - Hippies sieht man noch auf dem Markt, der traditionell am Mittwoch abgehalten wird. Auch Nicole und ich nehmen an diesem regen Treiben teil, welches vom penetranten und aufdringlichen Anpreisen der ausgestellten Ware beherrscht wird.
Wer sich jedoch nicht darum kümmert, sondern einfach nur entspannt und vielleicht auch ein wenig geistesabwesend diese Stimmungen in sich aufnehmen kann, der wird diesen Ort lieben. Das Stimmengewirr im Hintergrund, den Geruch von Salzwasser in der Nase und Palmen, die sich in der prallen Sommerhitze unter blauem Himmel wiegen. Für ein paar Minuten setzen wir uns noch an den Strand. Das ist Urlaub! Schlangenbeschwörer und fliegende Händler reißen mich aus meinen Träumen. Schönen Dank! Während wir ganz genüsslich unser nächstes Ziel ansteuern, treffen wir einige Male auf umfangreiche Straßenbauarbeiten. Wir reduzieren unsere Geschwindigkeit. Dabei müssen wir mit ansehen, wie Frauen jeden Alters bis zu den Knöcheln im Dreck stehen und mit der Spitzhacke in der Hand harte Männerarbeit verrichten.
Andere Frauen wiederum haben schwere Steine in einem Korb, den sie scheinbar ohne Mühen über weite Strecken auf dem Kopf bis zur Sammelstelle tragen. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Stop und kommen mit ihnen ins Gespräch. Dem starken Glauben der Inder ist es zu verdanken, daß solche Leiden mit einer stoischen Gelassenheit akzeptiert werden. Doch auch diese Begegnungen und das Verständnis darüber gehören zu einem intensiv erlebten Indienurlaub.
Unser nächstes Etappenziel ist der Distrikt Pernem. Die Tour dorthin ist einmalig. Der Charakter der Landschaft ändert sich schlagartig. Von den weiten und offenen Flächen mit landwirtschaftlicher Nutzung ist hier nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil: Dichter Wald, der sich über unseren Köpfen zu einem grünen Dach erhebt, dominiert die nächsten Kilometer. Der Mangel an Wegweisern bringt mal wieder so manchen sinnlosen, aber wunderschönen Umweg mit sich. Und wenn wir dann in irgendeinem Dorf abseits der Hauptstraßen nach dem richtigen Weg fragen, hat sich nicht nur der ganze Ort um uns versammelt, sondern jeder Einwohner hat garantiert eine andere Ahnung, wo es langgeht. Der Hafen von Chapora ist unser nächstes Pausenziel. Dort angekommen, sind wir überwältigt von der Abgeschiedenheit und Einzigartigkeit der Landschaft. Wir sitzen wieder einmal einfach nur so rum und lassen die Beine von einer Mauer baumeln. Dabei beobachten wir, wie die Fischer ihre Netze flicken oder ihre Boote reparieren. Chapora - Fort hingegen lassen wir links liegen, da wir dem zu erwartenden Menschenrummel entgehen möchten. Wir fahren weiter entlang der Küste des Chapora - River. Ein kurzer Fotostop in Siolim, und ab geht's bis an den Fähranleger nach Chopdem. Es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit, sowohl Palmen als auch der dichte Wald verhindern eine Sicht ins Landesinnere. Alles ist ein wenig schäbig und kein bisschen hektisch.
Nach knapp 15 Minuten Fährfahrt erreichen wir Chopdem. Alle verlassen in der gewohnten, unkontrollierten Eile in Nullkommanichts die Fähre. Wir brauchen etwas länger, weil unsere Maschine sich noch etwas bitten lässt. Zur Ehrenrettung sei aber erwähnt, daß dieser Vorgang Seltenheitswert hat. Jetzt folgen wir dem Flussverlauf in Richtung Osten.
Wir durchfahren auf dieser Strecke mehr Ortschaften mit Kuhfladen und Tieren auf der Straße, als wir Rupien in der Tasche haben. Mehr als den zweiten Gang lässt der Straßenverlauf nicht zu. Wir tuckern gemütlich durch die Dörfer und erwidern das freundliche Winken und Rufen der Menschen. Wir visieren die Brücke an, die wieder den Chapora - River überquert und fahren jetzt in südlicher Richtung der Stadt Mapusa entgegen. Mit dem Motorrad fahren wir schätzungsweise 80 km/h und sind dabei schon hart am zulässigen Limit der Maschine und des Verkehrs angelangt. Mittlerweile bereitet uns die Enfield so ihre Schwierigkeiten. Der Wechsel vom zweiten in den ersten Gang wird zunehmend schwerer. Zuerst noch mit Nachdruck, lässt sich jetzt nur mit Geduld, Gewalt und viel Glück der Gang wechseln. Also fahre ich entweder mit der donnernden Anlage und ordentlichem Gas im Zweiten an, oder aber - und das sieht wirklich lächerlich aus - ich bücke mich im Sitzen bis ganz nach unten und betätige den Schalthebel mit der Hand. Als wir wieder in Mapusa eintreffen, fallen uns die geschmückten Häuser und Autos auf. Überall verbinden bunte Lichterketten und Girlanden die Gebäude. "Happy - Diwali" heißt das viertägige Fest, das an den letzten zwei Tagen des Hindu - Monats Ashvin und der ersten beiden Tage von Kartik gefeiert wird (Oktober / November). Es bedeutet so viel wie Lichterfest. Abends werden Lampen angezündet und Feuerwerkskörper erhellen die Nacht. Man zieht sich gut an, besucht Freunde und feiert fröhlich und ausgelassen. Sehr häufig werden wir von den Menschen angesprochen und darum gebeten, Fotos von ihnen zu machen. Bisher wurden wir mit offener und ehrlicher Freundlichkeit bedacht.
Bevor es jetzt nach Hause geht, nehmen wir noch einen kleinen Imbiss zu uns. Den Abend beenden wir auf der Terrasse vor unserem Zimmer. Der nächste Tag beginnt für uns erst wieder gegen Mittag. Wir machen uns heute auf den Weg nach Bicholim mit der gleichnamigen Hauptstadt.Der Distrikt selber wird in erster Linie von der industriellen Infrastruktur geprägt. Metall- und keramikverarbeitende Betriebe sehen wir genauso häufig wie die vielen offenen Abbaugebiete für Erz, Mangan und Eisen. Entsprechend dreckig und staubig ist es auf der Straße. Wir haben auch bisher nirgendwo so viele Schlaglöcher und Teerflicken umfahren müssen wie hier. Die Fahrwerkskomponenten der Enfield und zu guter Letzt auch unsere Bandscheiben sind total überfordert. Es ist nicht zu übersehen, daß die Natur unter diesem schweren Eingriff zu leiden hat. In der Stadt Bicholim gibt es bis auf den Shanta Durga - Tempel nichts besonderes zu sehen. Die Anlage ist zwar recht bescheiden, aber sehr komplex in ihren Ausmaßen.
Zu meiner Schande muss ich eingestehen, daß die Maschine zu dem Zeitpunkt so rund lief und die Straßenführung so flüssig war, daß wir die Straße zum Narve - See und seinem Wasserfall verpassten. Schuld ist die wirklich miese Beschilderung vor Ort, die uns schon einen Tag zuvor zur Verzweifelung gebracht hat. Und als wir endlich wissen wollen, wo es zu diesem sagenhaften See geht, teilt man uns mit, daß wir schon auf Divar - Island sind. Also meilenweit davon entfernt. Schade! Also bleiben wir halt hier und machen das beste daraus. Im Nachhinein sind wir froh, daß es so gelaufen ist. Denn was uns die Natur hier bietet, ist echte Spitzenklasse und veranlasst uns zu einer gestreckten Rundfahrt.
Irgendwie scheint heute auch nicht unser Tag zu sein, denn als wir uns nach dem Fähranleger für Old - Goa erkundigen, wiegen alle Personen den Kopf auf eine Art und Weise, die wir als ein klares "Vielleicht" deuten, obwohl ein „Ja" gemeint ist. Gelesen haben wir schon vorher von dieser Eigenart. Die Gestik ist auch nicht sofort zu durchschauen. Oftmals müssen wir ein zweites Mal nachhaken. Aus diesem Grund fahren wir also kreuz und quer einfach nur herum und erreichen natürlich den falschen Anlieger, der uns einen Umweg auf der anderen Flussseite beschert. In Old - Goa angekommen, sind wir allerdings ein wenig enttäuscht. Ansonsten eher langweilig, ist Old - Goa für den kulturinteressierten Besucher ein Muss. Von dem "Velha Goa", dem "Goldenen Goa", ist bis auf die vielen Kirchen nicht mehr viel übriggeblieben.Wir schauen uns die Se' - Kathedrale und die St. Cajetan - Kirche an. Danach ist für uns Schluss. Zu weit liegen alle Gebäude auseinander und zu mühselig ist das ewige Auf- und Absteigen von der Maschine. Über die ganze Stadt verteilt bieten sich noch bis zu 16 verschiedene Möglichkeiten, etwas Heiliges in sich aufzusaugen. Das ist zuviel für uns. Wir sind schließlich hier, um Motorrad zu fahren.
Unser nächstes Ziel liegt etwa acht Kilometer vor Ponda in dem Ort Priol. Es ist der Sri Manguesh Tempel, ein Heiligtum zu Ehren Shivas. Darauf freuen wir uns schon seit langem. Der Reiseführer schwelgt in den höchsten Tönen von der intakten Anlage mit vorgelagertem Tempelteich. Die farbenfrohe und große Anlage mit Gebetsturm ist wirklich riesig. Die Kultstätte liegt am Fuße eines Hügels. Sie übertrifft unsere Erwartungen bei weitem, und es fallt schwer, den Finger vom Auslöser zu nehmen.
Dichter Wald und einige kleine Seen säumen die Straße. Die Sonne steht schon sehr tief, als wir uns am Mandovi - River Richtung Westen bewegen. Es ist wieder dunkel, als wir zu Hause ankommen. In der Nacht hat es uns beide gleichermaßen erwischt: Montezumas Rache. Dank unserer Medikamente sind wir jedoch bald wieder auf den Beinen. Es geht weiter in Richtung Süden. Wir passieren den Fluss Verna und fahren weiter bis Korfalim. An der Kreuzung in der Dorfmitte pausieren wir in der hiesigen Dorfbar. Die "Junction - Bar" dient als Treffpunkt und Informationsquelle für alle Dorfbewohner.
Als Nicole und ich hier sitzen, bildet sich auch gleich wieder die gewohnte Menschentraube. Dabei wollte ich doch nur diskret und möglichst unbemerkt mit meinem Teleobjektiv ein paar Momentaufnahmen machen. Pech gehabt! Danach fotografiere ich auf vielfachen Wunsch die Stammbesetzung der Bar und die um uns versammelten Personen.
Weil alle darauf mächtig stolz sind, kommen sie zu mir und klopfen auf die Schulter oder möchten sich mit Handschlag bedanken.Ich habe kein gutes Gefühl, als mich der junge Mann um den Fotoapparat bittet, um ein paar Bilder von mir und Nicole zu machen. Doch ich lasse mich überreden. Zur Sicherheit noch schnell den Trageriemen um seinen Hals und lächeln. Mit jedem Druck auf den Auslöser bewegt sich leider auch der Apparat deutlich sichtbar nach unten. Das Ergebnis dürfte also Wackelpudding werden. Ich gratuliere ihm trotzdem und bedanke mich auf das Herzlichste. Er ist happy und bringt ein gewaltiges Lächeln zum Vorschein.
Cola leer, Zigarette aus und los. Jetzt beim Starten bloß keine Blöße geben. Das ganze Dorf schaut mir zu, wie ich indisches Alteisen anwerfen möchte. Super, alles klappt wie am Schnürchen. Leider läßt sich der erste Gang wieder nur durch die Hilfe der rechten Hand zum Einrasten bewegen. Nach dem geräuschvollen Schaltvorgang wird zum Abschied gewunken, um mit viel Gas das Weite zu suchen!
Entlang des Flusses Verna läuft das Leben der Goaner seinen eigenen Gang. Man wäscht sich selbst und die Wäsche entweder an der Straße beim Dorfbrunnen oder aber am Flussufer. Sehr wahrscheinlich wohnen hier auch einige der Arbeiter, die in den nahegelegenen Werftanlagen ihrem Job nachgehen. Südwestlich der Stadt Ponda gibt es eine große Anzahl von sehr sehenswerten Tempelanlagen, deren vollständige Besichtigung unseren Zeitplan sprengen würde. Wir beschränken uns daher auf die zwei interessantesten.
Einen Tribut an unsere fehlende Schutzkleidung hat Nicole am Shri Mahalakshim - Tempel zu zahlen, da sie sich beim Absteigen vom Soziussitz schmerzhaft das Bein verbrennt. Bis zu elf verschiedene Tempel können in der unmittelbaren Nähe von Ponda in dem gleichnamigen Distrikt besichtigt werden.
Die beiden Heiligtümer, die wir besucht haben, liegen inmitten einer hügeligen Landschaft, die durch ihre Vielfalt an Pflanzen und Blumen zu begeistern weiß. Als der "Garten Goas" wird Ponda auch oftmals bezeichnet. Das ist verständlich, befinden sich doch bis zu 15 Prozent der Goanischen Waldlandschaft in diesem Distrikt. Die Hitze ist fast unerträglich. Jetzt, am späten Nachmittag, macht sich die Erschöpfung bemerkbar. Der Reiseführer schwärmt in den höchsten Tönen von der "In - Kneipe" in Anjuna. Es ist das "Gregory's". Unser Weg ist also vorgegeben. Wer die Wartezeit in der langen Schlange hinter sich gebracht hat, wird nicht enttäuscht. Dem Charakter einer Kantine nicht unähnlich, versprüht dieses Restaurant aber eine eher trockene Atmosphäre. Das Essen hingegen ist preiswert und große Klasse.
Die sagenhaften Strände, die sich daran anschließenden Orte und das Ambiente, das der Karibik nicht unähnlich ist, stehen für den nächsten Tag auf dem Programm. Wir wollen heute ausgiebig testen, was an den tollen Geschichten dran ist, für die Goa über alle Grenzen hinaus bekannt ist. Wir beginnen unsere Tour ziemlich weit im Süden. Im Gegensatz zum restlichen Goa finden sich erstaunlich viele Wegweiser. Einige lassen sich aber kaum noch entziffern und sind sowohl in der Entfernung als auch in der Richtungsangabe sehr vage. Doch das ist immer noch besser als nichts. Hier treffen wir auch erwartungsgemäß wieder deutlich mehr Europäer. Fast alle lassen sich, ähnlich wie wir, von Leihmotorrädern jeglicher Art durch die Gegend kutschieren. Bedingt durch den fehlenden Ortskern sind die Städte scheinbar endlos lang. Eine Promenade, wie man sie sonst kennt, finden wir nicht. Der Übergang zwischen Sandstrand und Ortschaft ist fließend.
An der Hauptstraße befinden sich Souvenirshops, Restaurants und Hotels. Unmittelbar dahinter, meist kaum weiter entfernt als ein Steinwurf, beginnt ein Strand, wie er schöner nicht sein kann. Sinquerim-, Candolim- und Calangute - Beach liegen mittlerweile hinter uns. Orte wie Candolim, Calangute oder Baga, mit 6.000 bis 10.000 Einwohnern, haben glücklicherweise ihren dörflichen Charakter bewahrt. Nach einigen Pausen, die wir zum Beine vertreten und Einkaufen genutzt haben, setzen wir uns wieder in Bewegung. Unsere Richtung: Anjuna - Beach.
Nachdem wir das Motorrad geparkt haben, suchen wir uns ein schönes Plätzchen im Sand zwischen den Fischerbooten. Einige hundert Meter können wir in das Meer laufen, ohne das die Waden überhaupt nass werden. Und während das warme Wasser unsere Füße umspült, bieten uns fliegende Händler Getränke und Obst an. Wir lassen den Rest des Tages genüsslich ausklingen, indem wir in einer der vielen Strandbars einkehren, um dem Treiben am Wasser zuzusehen. Die Abreise bestimmt den letzten Tag unseres Urlaubes. Die Maschine mit dem rauhen, aber herzlichen Charakter hat uns, allen Vorbehalten zum Trotz, sicher und jederzeit zuverlässig begleitet. Die kleinen Schwächen gehören zu einer Enfield einfach dazu. Gegen Mittag, nach einer ganzen Serie von Abschiedsfotos, kommt dann auch unser Taxi, die Abreise fällt wirklich schwer. Uns bleiben aber Erinnerungen, von denen wir noch lange zehren werden - zumindest bis der nächste Urlaub kommt.