Motorrad, Reisen & Sport 09/96 [Ralf Ahlers / Frank Bordtfeld: Text und Fotos]
Reisebericht Ostharz©: Schlösser, Burgruinen und lauschige Kurvenpisten - wohlan Tourer, im Harz wartet ein schönes Fleckchen Erde auf dich.
Pferdegeruch schwängert die Luft, Händler ziehen Karren mit Waren über die schwarze Holzbrücke. An den Ständen wird lauthals gefeilscht. Ja, so muss es Anno dazumal gewesen sein.
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Franks Hupe weckt mich aus meinen Träumen, beinahe wäre ich an unserem ersten Ziel vorbeigefahren, der Westerburg - eine der zahlreichen Burgen und Schlösser im Ostharz, die wir in den nächsten Tagen besuchen wollen. Wir stellen die Enduros ab und stapfen durch das Nordtor in das alte Gemäuer, doch nichts ist's mit Idylle. Presslufthämmer und Generatoren dröhnen, die Sanierungsarbeiten für die im 7. Jahrhundert erbaute Westerburg sind in vollem Gange. Erst im Garten des Kastellhofs finden wir die erhoffte Ruhe und dazu Gelegenheit, im Reiseführer einiges über die Geschichte dieses Bauwerkes nachzulesen. Die Westerburg ist eine sogenannte Niederungsburg, wohingegen die meisten Festungen im Ostharz zur Gattung Höhenburg zählen.
Diverse Adelsgeschlechter, Preußen und sogar Napoleons Truppen gaben sich hier im Laufe der Jahrhunderte nicht immer friedlich die Türklinke in die Hand, bis die Treuhand vor ein paar Jahren das Gebäude schließlich an einen Privatmann verhökerte. Wegen des Baulärms verzichten wir auf eine ausführliche Besichtigung der Westerburg und satteln wieder die Gäule.
Rund 30 Kilometer weiter, hoch über der gleichnamigen Stadt aus dem Morgennebel ragend, erwartet uns Schloss Wernigerode. Ein Abstecher über Feldwege belohnt uns mit einem grandiosen Ausblick über das Tal, bevor wir uns vom Charme des mittelalterlich anmutenden Ortes einfangen lassen.
Blickfang und Aushängeschild von Wernigerode ist zweifellos das meisterhaft instand gesetzte Rathaus aus dem 15. Jahrhundert. Stilecht nehmen wir nach einem ausgiebigen Rundgang per Pferdefuhrwerk den steilen Weg hinauf zum Schloss. Das auch dort das Burgleben die Jahrhunderte über alles andere als beschaulich war, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Bis zu vier Ringmauern schützten im 15. Jahrhundert die Festung, die besonders gefährdeten Nord- und Ostseiten waren zudem durch imposante, bis zu 24 Meter hohe Verteidigungstürme gesichert.
Gegen die Bodenreform nach Ende des Zweiten Weltkriegs halfen keine Mauern: Im Jahre 1949 wurde Schloss Wernigerode in ein "Feudalmuseum" umgewandelt, nach der Wende in "Schlossmuseum" umgetauft. Ein Bummel durch die historischen Gemäuer lohnt sich auf jeden Fall. Auf der B27 Richtung Blankenburg genießen wir wenig später Kurvenspaß pur. Ein Stück nördlich vom nächsten Zielort machen wir zunächst einen Abstecher zur Burgruine Regenstein.
Die Überreste der Festung stehen auf einem Sandsteinrücken in immerhin 290 Meter Höhe, so das sich dem Betrachter ein reizvoller Ausblick über das Harzer Vorland bietet. In Quedlinburg, das wir über die eintönige B 6 erreichen, finden wir endlich jene Atmosphäre, die wir uns auf unserer Burgenrundfahrt erhofft hatten. In den engen, teilweise schummerigen Gassen hallen Wortfetzen wider; es fällt nicht schwer, sich das Hufgetrappel einer mittelalterlichen Patrouille vorzustellen. Über uns machen wir die Stiftsburg aus, und kurze Zeit später parken wir die Bikes direkt vor dem Haupteingang an der Nordwestseite. Die Besichtigung des Schlafsaals der Stiftsdamen lassen wir uns nicht entgehen, ein Spaziergang durch den Schlossgarten beschließt unseren Besuch. Die Sonne steht schon tief, und die Häuser Quedlinburgs leuchten in zahllosen Rottönen; ein schöner Abschiedsgruß.
Die Roseburg in Richtung Bauenstedt ist das erste Ziel des neuen Tages. Noch keine 100 Jahre zählt das Bauwerk; und daher lässt es die drohende Wucht von weitaus älterer Befestigungsanlagen vermissen. Statt dessen kann sich das Auge an einem großzügigen Park mit Edelhölzern, bunter Pflanzenwelt und Skulpturen erfreuen. Ein Hort der Muße, der zur Blütezeit Heerscharen von Touristen anzieht. Wir hinken unserem Zeitplan etwas hinterher und geben den Pferden auf dem Weg in Richtung Burg Falkenstein die Sporen.
In den bewaldeten Abschnitten ist allerdings Vorsicht geboten, plötzlich wechselnder Fahrbahnbelag und Feuchtigkeit, die sich bis in die Mittagsstunden auf der Straße hält, verlangen erhöhte Wachsamkeit. Am Zielort angekommen, machen wir erst einmal lange Gesichter: Zahlreiche Reisebusse zeugen von der Attraktivität der Anlage.
Der halbstündige Fußmarsch hinauf, gerät zur schweißtreibenden Plackerei. Wir bedauern, nicht wieder mit der Pferdekutsche gefahren zu sein. Burg Falkenstein besteht aus zwei Teilen. Der Kernburg, erbaut auf einem Felsmassiv, und der Vorburg, die sich an eine Hangterrasse schmiegt. Eine lange Tradition besitzt das Museum der Burg. Schon 1801 durfte das gemeine Fußvolk Einblicke in die Wohnqualität der gehobenen Klasse nehmen.
Auf der folgenden Strecke von Falkenstein nach Stolberg offenbart der Ostharz seinen teilweise fast alpinen Charakter. Kurve reiht sich an Kurve, und wir lassen es zügig fliegen. Erst das Ortseingangsschild der Stadt stoppt die flotte Fahrt, aber der geplante Besuch, des hoch über der Ortschaft angesiedelten Schlosses entpuppt sich als Flop. Das im Jahr 1000 errichtete Bauwerk wird zu einem Seniorenwohnheim umgemodelt. Enttäuscht brummen wir mit unseren Enduros weiter über die B 242, denn in Stiege erwartet uns ein echtes Highlight dieser Ostharz - Tour: Der Bahnhof der Ortschaft ist die Haltestelle für die Dampflokomotive der Harzer Schmalspurbahn, die kurz nach unserer Ankunft mit Gepfeife und Ufftata Einzug hält. Wir nutzen die Zeit für einen kurzen Plausch mit dem Lokführer, bis das Signal für die Abfahrt ertönt und die Lok unter mächtiger Dampfentwicklung wieder loszischt.
Uns verabschiedet an diesem Abend der mit 1.142 Metern höchste Berg im Harz, der Brocken. Als wir in der Dämmerung auf der Heimreise sind, reißen Nebel und Wolken für einen kurzen Moment auf, und majestätisch glänzt der Gipfel im milden Abendsonnenlicht. Ein ereignisreiches Wochenende ist vorüber. Wir haben Geschichte besichtigt, tolle Motorradstrecken kennengelernt und Vorurteile gegenüber diesem Mittelgebirge über Bord geworfen. Wir waren nicht zum letzten Mal im Harz.